Interfraktioneller Antrag: Bedingungen für die Gemeinschaftsunterkunft Würzburg

Interfraktioneller Antrag: Bedingungen für eine Zustimmung zur Verlängerung des Mietvertrags für eine Gemeinschaftsunterkunft in der Veitshöchheimer Straße –

am 15. März 2012 eintimmig vom Stadtrat beschlossen!

Würzburg, 16. Februar 2012

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

in Würzburg befindet sich eine der größten Gemeinschaftsunterkünfte in Bayern. Der Würzburger Stadtrat hat in einem einstimmigen Beschluss vom 20. Mai 2010 seine Zustimmung für die Verlängerung des Mietvertrages für eine Gemeinschaftsunterkunft in Würzburg verweigert. Im Frühjahr 2011 ist die Regierung von Unterfranken erneut an die Stadt herangetreten und hat nochmals darum gebeten zu prüfen und zu beraten, ob und unter welchen Voraussetzungen die Stadt einer Vertragsverlängerung zustimmen könnte.

Im anschließenden Austausch zwischen Stadt und Regierung, hat die Regierung von Unterfranken vier Punkte, die von der Stadtverwaltung als wichtig erachtet worden sind, als erfüllbar gekennzeichnet und angedeutet. Dabei ging es um Fragen einer Höchstbelegung der Gemeinschaftsunterkunft mit maximal 400 Menschen, keine Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung in Würzburg während des Verlängerungszeitraums, Hinwirken auf eine frühzeitige private Wohnsitznahme in Würzburg und Unterfranken, sowie dem Ziel der Freigabe nicht benötigter Flächen in der Liegenschaft Veitshöchheimer Straße 100 für die städtebauliche Planung.

Als Ergebnis des Austauschs zwischen Stadt und Regierung und entsprechend dieser angedeuteten Bereitschaft der Regierung von Unterfranken wurde dem Stadtrat eine Beschlussvorlage in der Stadtratssitzung am 14. Dezember 2011 vorgelegt und vom Stadtrat vertagt. Eine interfraktionelle Arbeitsgruppe hat zwischenzeitlich über die darin formulierten Maßgaben für eine Zustimmung beraten und legt diese, leicht modifiziert, einem entsprechenden Beschluss zugrunde:

wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, beantragen daher,

der Stadtrat möge beschließen:

  • I. Die Gemeinschaftsunterkunft in der Veitshöchheimer Straße wird grundsätzlich mit nicht mehr als 400 Personen belegt. (Die aktuell bestehende höhere Belegung muss die Ausnahme bleiben.) Der Freistaat Bayern soll sich bemühen, mittel- bis langfristig eine Belegung von nicht mehr als 350 Personen anzustreben.
  • II. In der Liegenschaft Veitshöchheimer Straße 100 in Würzburg wird bis zum Ende der Vertragslaufzeit am 30. Juni 2015 keine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerberinnen und -bewerber eingerichtet.
  • III. Unterstützt durch ein bayerisches Förderprogramm, wird darauf hingewirkt, den Auszugsberechtigten einen schnellstmöglichen Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft zu ermöglichen und für den nötigen Wohnraum zu sorgen. Die Wohnsitznahme kann dabei neben der Stadt Würzburg auch in den umliegenden Landkreisen und kreisfreien Städten erfolgen. Die Stadt Würzburg ist sich dabei ihrer Mitwirkung bewusst und wird auch mit den anderen kommunalen Gebietskörperschaften gemeinsam Anstrengungen unternehmen.
  • IV. Der zwischen dem Freistaat Bayern und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben abgeschlossene Nutzungsvertrag für die Liegenschaft in der Veitshöchheimer Straße 100 umfasst bis zum 30. Juni 2015 ausschließlich die für die Unterbringung der Flüchtlinge benötigten Flächen. Nicht für die Unterbringung von Flüchtlingen benötigte Flächen können der städtebaulichen Planung unterzogen werden. Die staatlichen Behörden wirken an der Gestaltung des Umfelds zu einem urbanen Lebensraum mit.

Dem Würzburger Stadtrat ist weiterhin vorrangig an einer frühzeitigen privaten Wohnsitznahme von Asylbewerberinnen und -bewerbern gelegen, um so die übergangsweise Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften weitgehend überflüssig bzw. kurzzeitig zu machen. Daher ist aus Sicht des Würzburger Stadtrates eine Zustimmung zur Verlängerung des Mietvertrages bis längstens zum 30. Juni 2015 vertretbar, wenn im Gegenzug – über die oben formulierten Maßgaben hinaus – seitens der Regierung wesentliche Verbesserungen für die Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft Würzburg erreicht werden, um ihnen zum einen den Übergang in den freien Wohnungsmarkt und Teilhabe an der Gesellschaft zu erleichtern und zum anderen die Wohnsituation in der Gemeinschaftsunterkunft an sich wesentlich zu verbessern.

Der Würzburger Stadtrat stimmt – unter Anerkennung der bisherigen Bemühungen und der darüber hinaus gehenden aktuellen Verhandlungsbereitschaft der Regierung von Unterfranken – einer Verlängerung des Mietvertrages bis längstens zum 30. Juni 2015 unter der Bedingung zu, dass die Regierung von Unterfranken wesentliche Verbesserungen der Lebensbedingungen in der Gemeinschaftsunterkunft Würzburg umsetzt und auf die genannten Ziele mit Nachdruck im Rahmen Ihrer Möglichkeiten hinwirkt bzw. konkret umsetzt:

  1. Familien werden in eigenen Familienappartements untergebracht.
  2. Die Regierung von Unterfranken organisiert kostenlosen Deutschunterricht ab Ankunft für alle Flüchtlinge in der Gemeinschaftsunterkunft.
  3. Für die Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft sollen ansprechende Gemeinschaftsräume zur Verfügung gestellt werden, darunter auch solche, die rund um die Uhr zugänglich sind. Die übrigen Gemeinschaftsräume bleiben mindestens entsprechend den erweiterten Besuchszeiten geöffnet.
  4. Die sanitären Einrichtungen werden baulich so verbessert, dass der Schutz der Privatsphäre gewährleistet werden kann.
  5. Die Stadt Würzburg wünscht, dass alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber maximal in Dreibett-Zimmern untergebracht werden, und nach einem Jahr ein Umzug in Einzel-Zimmer erfolgen kann. Bei medizinisch-psychologischer Indikation müssen Einzel-Zimmer sofort zur Verfügung stehen. Um diesen Wunsch möglich machen zu können, ist es notwendig, dass die Belegungszahl (wie oben unter I.) reduziert wird. Die Regierung von Unterfranken erarbeitet als Betreiberin der Einrichtung daher ein Konzept zum sukzessiven Umbau der Mehrbett- in Einzel-Zimmer und verpflichtet sich, dass bei jeder Umbaumaßnahme zusätzliche Einzel-Zimmer geschaffen werden.
  6. Die Stadt Würzburg wünscht, entsprechend der dreijährigen Dauer der anstehenden Verlängerung des Nutzungsvertrags zwischen dem Freistaat Bayern und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, eine Verlängerung des Vertrags über die medizinische Versorgung der Flüchtlinge mit den Missionsärztlichen Kliniken um ebenfalls drei Jahre. Bei einer eventuell erforderlichen Ausschreibung werden die von den Missionsärztlichen Kliniken derzeit gewährleisteten medizinischen Standards zugrunde gelegt. Darüber hinaus setzt sich die Regierung von Unterfranken dafür ein, dass Leistungen, die von den Missionsärztlichen Kliniken für geboten gehalten werden, auch über das gesetzliche Mindestmaß der reinen Akutversorgung (nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz) hinaus finanziert werden.
  7. Die Regierung von Unterfranken übermittelt der Bayerischen Staatsregierung den Wunsch der Stadt Würzburg auf Umstellung der bisherigen Gemeinschaftsverpflegung der Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft nach dem Sachleistungsprinzip auf eine Lebensmittelversorgung nach dem Gutscheinprinzip.
  8. Die Besuchszeiten in der Gemeinschaftsunterkunft werden, wie mit Vertretern der Regierung von Unterfranken besprochen, vor Werktagen von 22 auf 23 Uhr sowie freitags und samstags auf 24 Uhr verlängert.
  9. Die Stadt Würzburg wünscht, dass Bewohnerinnen und Bewohner besucht werden können, ohne dass die Besucherinnen und Besucher mehr als ihre Namen angeben müssen, und begrüßt die Bereitschaft der Regierung von Unterfranken künftig keine Ausweispapiere mehr zu verlangen und stattdessen allenfalls Namenslisten der Besucherinnen und Besucher zu führen.
  10. Nachdem mit der Vertragsverlängerung bis zum 30.06.2015 im Sinne des Schreibens der Regierung von Unterfranken vom 30.08.2011 der zeitliche Rahmen für weitere Investitionen in die Gemeinschaftsunterkunft gesetzt ist, können nun auch die dortigen Wohn- und Aufenthaltsverhältnisse durch Lärmminderungsmaßnahmen verbessert werden. Daher erfolgen nach Vertragsverlängerung schrittweise, je nach Lärmbelastung in den Zimmern, gebäudeseitige Maßnahmen zur Lärmminderung an den an der B 27 gelegenen Wohngebäuden. Auch in den übrigen Gebäuden sollen Lärmminderungsmaßnahmen kontinuierlich erfolgen.

Die Stadt Würzburg sieht sich den Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft verbunden und verpflichtet. Der Würzburger Stadtrat bittet die Regierung von Unterfranken ihm über die Situation und die erfolgten Verbesserungen in der Gemeinschaftsunterkunft für einen jährlichen Bericht zur Verfügung zu stehen. Mit freundlichen Grüßen Thomas Schmitt, Christine Bötsch, Emanuele La Rosa, namens der CSU-Fraktion

Hans Werner Loew, Alexander Kolbow, namens der SPD-Fraktion

Matthias Pilz, Silke Trost, Patrick Friedl, Antonino Pecoraro, namens der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Jürgen Weber, namens der Fraktion Würzburger Liste – Freie Wähler

Egon Schrenk, namens der FDP-Fraktion

Josef Hofmann, Regine Samtleben, namens der FWG-Fraktion

Reiner Hartenstein, namens der Fraktion Bürgerforum Würzburg