BESCHLOSSEN: Regenwasserbewirtschaftungskonzept für Baugebiete Würzburg-Lengfeld

Häuser im Regen
Regenwasser nutzen!

Zustimmung für Grundsatzbeschluss

Im Planungs-, Umwelt- und Mobilitätsausschuss (PUMA) am 14.04.2021 präsentierte der Stadtbaurat ein Baukasten-Konzept für eine mögliche Regenwasserbewirtschaftung in den Baugebieten Lengfeld Nord. Hieran hatten alle relevanten Fachbereiche gemeinsam mitgewirkt. Die Beschlussvorlage für die Umsetzung der vorgelegten Konzepte wurde einstimmig angenommen und am 22.04.2021 dem Stadtrat vorgelegt. Der Stadtrat folgte dem Gutachten des PUMA. Dem Beschluss wurde einstimmig zugestimmt.

Damit ist der Weg frei für eine zukunftsorientierte, autarke und nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung in den Baugebieten Lengfeld-Nord! Das ist dringend notwendig aufgrund der Knappheit der Ressource Wasser – auch und gerade in Würzburg und Unterfranken.

„Dass es im PUMA grünes Licht und viel lobende Worte für den Grundsatzbeschluss zur Regenwasserbewirtschaftung gab, lässt uns stark hoffen, dass es nun auch den Stadtrat erfolgreich passieren wird. Wenn es diese letzte Hürde nimmt, kann das Pilotprojekt in Lengfeld in die Tat umgesetzt werden. Das wird ein zukunftsweisender Beschluss für alle neu zu erschließenden Baugebiete und Vorbild auch für andere Kommunen!“

Statement GRÜNE Fraktion

Beschluss gemäß Beschlussvorschlag:

  1. Den Regenwasserbewirtschaftungskonzepten für die Lengfelder Baugebiete „Wohngebiet Carl-Orff-Straße / Georg-Engel-Straße“ – Lengfeld 37 und „Wohn- und Mischgebiet Lengfeld-Nord“ – Lengfeld 22B sowie dem „Baukasten Regenwasserbewirtschaftung“ wird zugestimmt.
  2. Die Verwaltung wird beauftragt, das in der Anlage beiliegende Konzept der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung des öffentlichen Raums, das gleichzeitig die Nutzung und Erlebbarkeit der Freiflächen sowie die Stärkung der Biodiversität fördert, für den Bereich des Baugebiets „Wohngebiet Carl-Orff-Straße / Georg-Engel-Straße“ – Lengfeld 37 anzuwenden. Die im Konzept aufgeführten Maßnahmen sollen in der Bebauungsplanung berücksichtigt und in den Ausführungsplanungen für den öffentlichen Raum (tiefbautechnische Straßenplanung und Planung der öffentlichen Grünräume) umgesetzt werden.
  3. Regenwasser wird gem. der Entwässerungssatzung auf privaten Flächen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Wohngebiet Carl-Orff-Straße / Georg-Engel-Straße“ – Lengfeld 37 zu 100% auf eigenem Grundstück durch Verbrauch, Rückhaltung, Verdunstung und / oder Versickerung bewirtschaftet. Es werden keine Einleitungen und Notüberläufe zur Ableitung in öffentliche Kanalsysteme zugelassen.
  4. Die Verwaltung wird beauftragt, das in der Anlage beiliegende Konzept der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung des öffentlichen Raums, das gleichzeitig die Nutzung und Erlebbarkeit der Freiflächen sowie die Stärkung der Biodiversität fördert, für den Bereich des Baugebiets „Wohn- und Mischgebiet Lengfeld-Nord“ – Lengfeld 22B anzuwenden. Die im Konzept aufgeführten Maßnahmen sollen in der Bebauungsplanung berücksichtigt und in den Ausführungsplanungen für den öffentlichen Raum (tiefbautechnische Straßenplanung und Planung der öffentlichen Grünräume) umgesetzt werden.
  5. Regenwasser wird gem. der Entwässerungssatzung auf privaten Flächen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Wohn- und Mischgebiet Lengfeld-Nord“ – Lengfeld 22B im nördlichen Teilbereich des Baugebietes zu 100% auf eigenem Grundstück durch Verbrauch, Rückhaltung, Verdunstung und / oder Versickerung bewirtschaftet. Es werden keine Notüberläufe zur Ableitung in öffentliche Kanalsysteme zugelassen. Für den südlichen Teilbereich der Eigenheime stehen derzeit noch zwei Varianten in Überlegung. Sollte eine vollumfängliche Rückhaltung und Beseitigung auf den eigenen Grundstücken aufgrund der zu geringen Versickerungsfähigkeit nicht zumutbar sein, dann würden Notüberläufe in den mittigen öffentlichen Grünraum, bzw. in den öffentlichen, der Straßenentwässerung dienenden Regenwasserkanal ermöglicht.
  6. Der Stadtratsantrag Nr. 278/2020 vom 29.11.2020 des Stadtratsmitgliedes Haberer ist hiermit erledigt.

Begründung:

Auf Basis des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 hat der Stadtrat im November 2019 zentrale Ziele und Grundlagen für den Klimaschutz in Würzburg beschlossen. Hierzu zählt auch, dass der Stadtrat bei seinen Beschlüssen die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit berücksichtigt und wenn immer möglich Maßnahmen priorisiert, die den Klimawandel oder dessen Folgen abschwächen. Zu den Anpassungsmaßnahmen an die unvermeidbaren Folgen des fortschreitenden Klimawandels gehört auch der nachhaltigen Umgang mit dem anfallenden Regenwasser, auf den die Stadt Würzburg bei der Entwicklung von neuen Baugebieten besonderen Wert legt.

Das Regenwasserbewirtschaftungskonzept zu den städtebaulichen Siedlungsentwicklungen „Wohngebiet Carl-Orff-Straße / Georg-Engel-Straße“ – Lengfeld 37 und „Wohn- und Mischgebiet Lengfeld-Nord“ – Lengfeld 22B ist Teil einer klimaangepassten und klimaschonenden Stadtplanung und Gebietsentwicklung und leistet für die in der Strategie „Klimaanpassung & Stadtentwicklung 2020+“ formulierten Ziele der Stadt Würzburg einen wichtigen Beitrag, in dem u.a. Regenwasser zur Bewässerung von Freiflächen im öffentlichen und privaten Raum genutzt werden soll und Regenwasser großflächig in Grünflächen verdunstet und, wo möglich, versickert wird.

Grundlagen

Bei der Entwicklung des Regenwasserbewirtschaftungskonzeptes spielt der Klimawandel und dessen Folgen eine bedeutende Rolle. Zu beachten sind neben den lokalen topografischen und klimatischen Verhältnissen die Trends zu markanten und häufigeren Starkregenereignissen vor allem im Sommer sowie zunehmende Hitze-/Trockenperioden. Dies bedeutet einerseits einen starken kurzfristigen Wasserabfluss mit Bedarf an Rückhaltevolumen und andererseits lange Trockenphasen mit Bedarf an Wasser für die Pflege von Grünflächen

Bei der Ausarbeitung des Konzeptes sind rechtliche und fachliche Vorgaben zu beachten. Zu nennen sind das DWA-Merkblatt A-102 (Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall), das Wasserhaushaltsgesetz, die Wasserrahmenrichtlinie und die Satzung der Stadt Würzburg für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Stadt Würzburg (Entwässerungssatzung). Diese Vorgaben stecken den groben Rahmen des Konzepts ab. Demnach soll Niederschlagswasser vor allem im Gebiet gehalten, genutzt oder ortsnah versickert und verrieselt werden. Außerdem wird die zulässige Qualität der Einleitung in die Kürnach geregelt. Die erforderlichen Maßnahmen werden durch die Verkehrsmengen und die Anzahl der Wohneinheiten bestimmt.

Der geologische Aufbau und die Bodenverhältnisse bestimmen im Wesentlichen die Möglichkeiten der Regenwasserbewirtschaftung. Im Plangebiet Carl-Orff-Straße erlauben die Bodenverhältnisse gemäß geotechnischem Bericht die Versickerung in geringem Umfang, während im Plangebiet Lengfeld Nord 22B dies je nach örtlicher Gegebenheit unterschiedlich zu bewerten und tendenziell geringer ist.

Ziel

Mit dem Regenwasserbewirtschaftungskonzept wird das Ziel verfolgt, einen sorgfältigen und verantwortungsbewussten Umgang mit Regenwasser zu etablieren und nicht verunreinigtes Regenwasser aus öffentlichen Flächen (Straßen, Plätzen und Grünflächen) zu bewirtschaften und nicht über Kanäle in ein Gewässer abzuleiten. Hierzu soll auf den öffentlichen Grünflächen der beiden Plangebiete eine blau-grüne Infrastruktur mit gestalterischer Integration von Wasser in die Freiräume als Teil des Lebensumfeldes der zukünftigen Bewohner geplant und aufgebaut werden. Die Bewirtschaftung von Oberflächenwasser ist damit ein wichtiger Bestandteil zeitgemäßer und zukunftsgerichteter Stadtplanung und soll daher umfassend angewendet werden. Auch neueste Anwendungen wie z.B. Baumrigolen werden implementiert.

Das Regenwasserbewirtschaftungskonzept ist so angelegt, dass sowohl der Umgang mit zu wenig Wasser in Trockenphasen, als auch mit zu viel Wasser bei Starkregen gelöst wird. Damit reagiert das Konzept auf den Klimawandel, indem anfallendes Oberflächenwasser nicht verschwendet, sondern einer sinnvollen Nutzung vor Ort als Gieß- oder Brauchwasser zugeführt wird. Mit dem Aufbau einer blau-grünen Infrastruktur werden weitere Ziele verfolgt. Die Verdunstung von Oberflächenwasser dient der Hitzevorsorge und dem gesundheitlichen Wohl der Bewohner, es werden durch unterschiedliche Standortgradienten attraktive und ökologisch wertvolle Freiraumsituationen geschaffen. Die Integration von Oberflächenwasser in die Grünflächen reduziert den Pflegaufwand für das Wässern und Gießen und spart zudem Trinkwasser.

Konzept

Grundlage sowohl für das Konzept zum Plangebiet Lengfeld Nord 22B, als auch zu Lengfeld 37/ Carl-Orff-Straße ist die Multicodierung der Freiflächen. Dies bedeutet, dass alle Freiflächenfunktionen wie Gestaltung, Erholung, Spielen, Biodiversität, naturschutzrechtlicher Ausgleich, Artenschutz und auch Regenwasserbewirtschaftung räumlich und inhaltlich miteinander verbunden und, soweit möglich, überlagert werden. Eine förmliche Trennung und Ausweisung z.B. von Fläche für Wasserbewirtschaftung oder Fläche für Erholung findet nicht statt. Damit ist die Regenwasserbewirtschaftung integraler Teil der Freiflächenkonzeption.

Ein wesentlicher Vorteil für die Stadt Würzburg liegt darin, dass sich der finanzielle Aufwand für die Umsetzung des Regenwasserbewirtschaftungskonzeptes voraussichtlich reduziert, da z.B. die Ausgestaltung der Regenterrassen auch Teil der Standortvielfalt für Pflanzen ist und damit Teil der grünordnerischen „Sowieso-Maßnahmen“. Das Konzept arbeitet zudem ausgeprägt standortbezogen. Für die geplanten Regenterrassen, Regensenken, den Regenpark und auch die Flutwiese werden die vorhandene Topografie und die Bodenverhältnisse genutzt. Die Zuführung des Oberflächenwassers erfolgt dezentral über möglichst viele Ausleitungspunkte aus dem Straßenraum.

Elemente

Das Regenwasserbewirtschaftungskonzept arbeitet mit wenigen klaren Elementen.

  • Baumrigolen: Im Straßenraum mit geringem Gefälle wird das Oberflächenwasser auf kurzem Weg ohne Rohrleitungen der Straßenentwässerung – sogenannten Baumrigolen – zugeführt. In den Baumgruben befinden sich Wasserspeicher (Baumrigolen), in die Wasser geleitet wird und aus denen sich die Bäume mit Wasser versorgen können. Dies reduziert den Aufwand des Wässerns und hält Oberflächenwasser zurück. Einzelne Baumrigolen werden über Baumgräben und Begrünung miteinander verbunden. In den Baumrigolen werden streusalztolerante Baumarten gepflanzt.
  • Oberflächenwasser, das keinen Baumrigolen zugeführt werden kann, wird auf kürzestem Wege in die Grünflächen des jeweiligen Plangebietes geleitet. Dies geschieht an Schnittstellen der Straßen mit öffentlichen Grünflächen. Die Zuführung von den Ausleitungspunkten zu den Terrassen erfolgt über Rasen-/Wiesenflächen ohne Baumpflanzungen. So wird das Wasser über die belebte Oberbodenschicht gereinigt. Die Zuführung des Oberflächenwassers erfolgt entweder über Rinnsteine oder Oberflächenwasserkanäle.
  • Regenterrassen: Zentrales Element des Regenwasserbewirtschaftungskonzeptes sind die Regenterrassen. Diese werden aus dem Bestandsgelände modelliert und nehmen als hintereinander geschaltete Retentionsräume auch größere Regenereignisse auf. Die Terrassen sind so gestaltet, dass Wasser kurzzeitig einige Zentimeter hoch, aber flächig ansteht und verdunsten kann. Die Terrassen werden unterschiedlich bepflanzt oder angesät und bieten somit eine sehr hohe Biodiversität. Die Terrassen können auch mit Bänken oder Spielgeräten ausgestattet werden und dienen zudem der Erholung der Bewohner.
  • Regensenken / Regenpark: Am Ende der Terrassen befinden sich Regensenken die bei Starkregen das Überschusswasser der Terrassen aufnehmen. Im Wohngebiet an der Carl-Orff-Straße ist vorgesehen, die Regensenke mit einer Zisterne zu kombinieren. Dort kann sich Wasser sammeln und über eine Entnahmestelle zur Bewässerung von Bäumen in den Grünflächen genutzt werden. Im Plangebiet Lengfeld Nord 22B ist dies auf Grund der Lage der Senke im Einflussbereich der Kürnach nicht möglich. Dort soll in einem sogenannten Regenpark das Oberflächenwasser bei Starkregen gesammelt und, soweit wie möglich, verdunstet werden. Aus dem Regenpark kann bei Bedarf Wasser noch einer Flutwiese an der Kürnach zugeleitet werden.

Insgesamt steht mit den Elementen in beiden Plangebieten ausreichend Volumen für den Bemessungsfall eines 30jährigen Regenereignisses zur Verfügung. 

Im Plangebiet Carl-Orff-Straße gibt es derzeit keinen Anschluss an ein Fließgewässer. Es ist daher ein Notüberlauf zur Kürnach entlang der Georg-Engel-Straße erforderlich. Im Plangebiet Lengfeld Nord 22B wird das angrenzende Baugebiet Waidmannsteige an den Regenpark und die Flutwiese angeschlossen.

Umsetzung

Das Konzept soll, soweit rechtlich möglich, in die laufenden Bebauungsplanverfahren eingearbeitet und über Festsetzungen und Hinweise verankert werden. Das Regenwasserbewirtschaftungskonzept ist in die Erschließungsplanung und die Freiflächenplanung zu integrieren. Den Bauwerbern und Bauträgern soll der Baukasten zum Regenwasserbewirtschaftungskonzept als Planungshilfe der erforderlichen Maßnahmen zur Regenwasserbewirtschaftung auf dem eigenen Baugrundstück an die Hand gegeben werden. Dieser zeigt vielfältige Maßnahmen, wie mit dem Regenwasser auf dem eigenen Grundstück umgegangen werden kann. Bei der 100 % Regenwasserbewirtschaftung auf dem eigenen Grundstück entfallen die sonst üblichen Niederschlagswassergebühren für den jeweiligen Eigentümer.

Abstimmung

Das Regenwasserbewirtschaftungskonzept wurde in intensivem Austausch mit den Fachbereichen Stadtplanung, Umwelt- und Klimaschutz, Tiefbau und Verkehrswesen sowie dem Gartenamt und dem Entwässerungsbetrieb erstellt. Das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg wurde ebenfalls einbezogen.