NACHGEFRAGT: Versammlung „Syra not safe“ am 10.12.2020

Tabelle Berechnung der Personen Versammlung "Syra not safe"
Tabelle Berechnung der Personen Versammlung "Syra not safe"

Schriftliche Anfrage von Stadtrat Konstantin Mack am 20.01.2021

Auf welche rechtliche Grundlage stützte die Stadt Würzburg die Begrenzung der Zahl der Teilnehmer*innen der Versammlung „Syria Not Safe“ am 10.12.2020 auf 20 Personen?

Antwort des Kommunalreferats:

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 der Zehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (10. BayIfSMV) musste zwischen allen Teilnehmern einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel im Sinne des BayVersG ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt und jeder Körperkontakt mit anderen Versammlungsteilnehmern oder Dritten vermieden werden. Die Stadt Würzburg hatte gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 der 10. BayIfSMV durch entsprechende Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sicherzustellen, dass die Bestimmungen nach Satz 1 eingehalten und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt wurden. Diese Verpflichtung besteht auch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 der aktuellen 11. BayIfSMV fort.

Die Notwendigkeit der Begrenzung der maximalen Teilnehmerzahl der Versammlung ergab sich aus der begrenzt zur Verfügung stehenden Versammlungsfläche. (Diesbezüglich wird schon hier auf die Ausführungen unter Punkt 4 verwiesen.) Die Festsetzung der Beschränkungen zur Abwehr von Infektionsgefahren beruhte auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG. Danach kann die zuständige Behörde eine öffentliche Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist oder ein Fall des Art. 12 Abs.1 BayVersG vorliegt.

Vorliegend setzte der Bescheid der Stadt Würzburg die maximale Teilnehmerzahl entsprechend und wunschgemäß der auch tatsächlich angezeigten Teilnehmerzahl fest.

Ist es zutreffend, dass gegen die Leiterin dieser Versammlung ein Bußgeldverfahren wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die 10. Infektionsschutzverordnung und das Versammlungsgesetzes eingeleitet wurde?

Antwort des Kommunalreferats:

Der Versammlungsleiterin wurde am 12.01.2021 ein Anhörungsschreiben der Fachabteilung Ordnungsaufgaben zur Aufklärung des Sachverhalts sowie zur Verschaffung rechtlichen Gehörs zugesandt. In Betracht kam ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BayVersG und § 7 Abs. 1 Satz 2 der 10. BayIfSMV. Eine Antwort ist am 22.01.2021 bei der Fachabteilung Ordnungsaufgaben eingegangen.

Konnten im Zuge der o.g. Versammlung Verstöße gegen die 10. Infektionsschutzverordnung oder das BayVersG festgestellt werden? Bitte Zahl und genaue Art der Verstöße angeben.

Antwort des Kommunalreferats:

Durch die Polizeiinspektion Würzburg-Stadt wurden am Versammlungstag gegen 17:10 Uhr deutlich mehr Teilnehmer festgestellt. Zeitweise musste von rund 55 Personen ausgegangen werden.

Wie erfolgte durch die Stadt Würzburg die Berechnung der Anzahl der Personen, die sich auf der im Auflagenbescheid zur o.g. Versammlung genannten Versammlungsfläche von 170 m² unter Einhaltung des Abstandsgebotes zum Schutz vor der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie maximal aufhalten konnten? Bitte Ergebnis, genauen Rechenweg und geometrische Überlegungen angeben.

Antwort des Kommunalreferats:

Wie bereits dargelegt, musste die Stadt Würzburg gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 der 10. BayIfSMV sicherstellen, dass zwischen allen Versammlungsteilnehmern ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt und jeder Körperkontakt mit anderen Versammlungsteilnehmern oder Dritten vermieden wurde und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt wurden. Dies schließt auch die Gewährleistung eines Mindestabstands von 1,5 m zu Schaulustigen bzw. interessierten Bürgern und unbeteiligten Passanten ein.

Um dem gerecht zu werden, wurde durch die Fachabteilung Ordnungsaufgaben eine Tabelle zur Ermittlung der zulässigen Teilnehmerzahlen bei stationären Versammlungen erstellt, die seit dem 27.05.2020 grundsätzlich bei jeder stationären Versammlung zur Anwendung kommt. Es handelt sich hierbei um eine idealisierte Darstellung, der die Annahme zu Grunde liegt, dass

  • die durchschnittliche Schulterbreite einer erwachsenen Person 0,6 m beträgt (Löhr / Gröger, Bau und Betrieb von Versammlungsstätten, § 7, Nr. 4.3),
  • zwischen allen Versammlungsteilnehmern und zu Dritten ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten werden
  • sowie jeder Versammlungsteilnehmer theoretisch die Versammlung unter Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m auch vor Beendigung der Versammlung verlassen können muss. Damit ein Verlassen der Versammlung auch vor Beendigung dieser aus der Mitte der Menschenmenge heraus möglich ist, werden hier Korridore von 3,6 m Breite berücksichtigt (1,5 m Mindestabstand zu beiden Seiten, also 1,5 m x 2 + 0,6 m Schulterbreite). Mit diesen zusätzlich einberechneten Korridoren wird außerdem der Tatsache Rechnung getragen, dass ein völlig starres Stehen während der Dauer der Versammlung, hier immerhin 60 Minuten, kaum durch die Versammlungsteilnehmer eingehalten werden kann. Die Erfahrung zeigt, dass Versammlungsteilnehmer nicht wie Schachfiguren statisch auf der Stelle stehen. Dies kann auch von einem durchschnittlichen Menschen nicht erwartet werden und entspricht, wie bereits erwähnt, auch nicht dem Versammlungsalltag.

Um den Mindestabstand auch zu interessierten Bürgern und unbeteiligten Passanten sicherstellen zu können, werden bei der Berechnung der Teilnehmerzahl Abstände von 1,5 m von den Versammlungsteilnehmern zu den Außenseiten der jeweiligen Versammlungsfläche berücksichtigt.

Tabelle siehe Beitragsbild

Die markierten 0,6-Werte bilden die Teilnehmer sowie die übrigen Werte die berücksichtigten Abstände ab. Die Werte 9,9 und 16,2 ergeben die danach mindestens erforderlichen Seitenlängen der Versammlungsfläche in Metern.Nach dieser Darstellung hätten auf einer Fläche von 16,2 m x 9,9 m 21 Personen Platz gefunden. Hierbei ist allerdings noch nicht berücksichtigt, dass auch Musikinstrumente als Kundgebungs-mittel angezeigt wurden und bei ebenfalls zu erwartendem Gesang sowie dem Einsatz von Blasinstrumenten ein Mindestabstand von 2 m zwischen den Darbietenden und anderen Teilnehmern bzw. interessierten Bürgern einzuhalten war. Es wurde daher zusätzlich die Versammlungsfläche auf die maximal vorhandene Fläche von 17 m x 10 m für die angezeigten 20 Versammlungsteilnehmer erweitert. Eine Erhöhung der möglichen Teilnehmerzahl ergab sich daraus rechnerisch nicht. Dazu hätten die Seitenlängen auf 18,3 m bzw. 12 m erhöht werden müssen.

Mehr Raum als die der Versammlung vom 10.12.2020 zugewiesen Fläche stand am 10.12.2020 wegen den auf dem Unteren Markt aufgebauten Marktbuden nicht zur Verfügung. An den Seiten der Versammlungsfläche wurden Bewegungsflächen für den unbeteiligten Publikumsverkehr bzw. für interessierte Bürger von 5 m im Süden und Westen sowie von ca. 8 m im Norden und Osten der Versammlungsfläche berücksichtigt.

Die Bewegungsflächen mit einer Breite von 5 m wurden wie folgt berechnet:

  • 2 x 0,6 m Schulterbreit für den Passantenverkehr (für jede Laufrichtung der Passanten jeweils 0,6 m)
  • 0,6 m für interessierte Bürger an der Seite der jeweiligen Versammlungsfläche
  • 1,5 m Mindestabstand zwischen diesen Personengruppen (2 x 1,5 m) – 0,2 m Abstand zur Hauswand
  • = 5 m

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Bewegungsflächen von 5 m Breite um eine Versammlung herum, je nach Interesse der Passanten am Versammlungsthema, bereits sehr knapp bemessen sind, um die Sicherheitsabstände auf diesen Flächen zu gewährleisten (z.B. im Rahmen einer Versammlung am 14.11.2020 auf dem Oberen Markt). Daher wurden an der Nord- und Ostseite der Versammlungsfläche ca. 8 m Breite Bewegungsflächen zu den dortigen Buden eingeplant, um dem zu erwartenden erhöhten Passantenaufkommen im Rahmen des Marktgeschehens in diesen Bereichen Rechnung zu tragen.

Falls durch die Stadt Würzburg keine solche Berechnung durchgeführt wurde: warum wird im Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Leiterin der o.g. Versammlung eine derartige Zahl genannt?

Antwort des Kommunalreferats:

Siehe Antwort zu Frage Nr. 4

Ist es zutreffend, dass die Polizei am Tag der Versammlung die als Grundlage für das o.g. Bußgeldverfahren herangezogene Ziffer 2.4 des Auflagenbescheids zur o.g. Versammlung auf entsprechende Bitte der Versammlungsleiterin insofern abgeändert hat, als dass sie gegenüber der Versammlungsleiterin eine höhere Teilnehmer*innenzahl zugelassen hat und deswegen das o.g. Bußgeldverfahren gegenstandslos ist?

Antwort des Kommunalreferats:

Laut Bestätigung der Polizei vom 22.01.2021 wurde der Versammlungsleiterin durch die Polizei aufgetragen, die Teilnehmerzahl zu reduzieren und mehr Ordner einzusetzen. Diese Ordnung gelang der Versammlungsleiterin nicht gänzlich.

Letztendlich musste der Ablauf nach Güterabwägung im Sinne eines versammlungsfreundlichen Behördenverhaltens polizeilich „geduldet“ und durch weitere präventive Polizei-Maßnahmen, z. B. Regelung des sonstigen Fußgängerverkehrs am Marktplatz rund um die Versammlungsfläche, flankiert werden.

Eine höhere Teilnehmerzahl als im Bescheid vorgegeben wurde somit faktisch hingenommen. Vor diesem Hintergrund wurde auch verwaltungsintern entschieden, dass kein Ordnungswidrigkeitenbescheid ergehen wird, was der Versammlungsleiterin noch mitzuteilen ist.

Ist es zutreffend, dass die als Grundlage für das o.g. Bußgeldverfahren herangezogene Ziffer 2.4 des Auflagenbescheids zur o.g. Versammlung rechtswidrig ist, da

6.1 nach einem Beschluss des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BayVGH, B.v.1.11.2020 – 10 CS 20.2449 – Juris RN. 10 m.w.N.) die von ortsfesten Versammlungen von unter 200 Teilnehmer:innen ausgehende Infektionsgefahr auf ein vertretbares Maß beschränkt ist

Antwort des Kommunalreferats:

Die Ziffer 2.4 des Bescheids vom 09.12.2020 ist rechtmäßig ergangen; der zitierte Beschluss des BayVGH behandelt nicht die im vorliegenden Fall relevante Problematik räumlich begrenzter Versammlungsflächen. Außerdem wird in dem Beschluss die damalige 7. BayIfSMV korrekt zitiert, indem darauf hingewiesen wird, dass von der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit in der Regel auszugehen ist, wenn die Teilnehmerzahl einer Versammlung auf 200 Personen beschränkt ist und die Versammlung ortsfest stattfindet. Im Falle der Versammlung vom 10.12.2020 lag jedoch wegen der kleinen Versammlungsfläche und der angezeigten Teilnehmerzahl kein Regelfall vor.

6.2 für eine Begrenzung der Teilnehmer:innenzahl der o.g. Versammlung auf eine Teilnehmer:innenzahl von unter 200, konkret auf ein Zehntel hiervon, keinerlei Gründe im Auflagenbescheid ausgeführt worden sind,

Antwort des Kommunalreferats:

Die Beschränkungen des Bescheids vom 09.12.2020 wurde mit Verweis auf die andauernde COVID-19-Pandemie begründet und dass die Beschränkungen zur Abwehr von Infektionsgefahren festgesetzt wurden, um die Durchführbarkeit der angezeigten Versammlung zu gewährleisten und die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß zu beschränken sowie damit die Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 durch das Versammlungsgeschehen zu verhindern. Außerdem wurde in der Begründung auf den o.g. § 7 Abs. 1 Satz 1 der 10. BayIfSMV und die Notwendigkeit der Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m verwiesen. Auch wurde ausgeführt, dass mit der maximal festgelegten Teilnehmerzahl der Versammlungsanzeige vom 04.12.2020 entsprochen wurde.

6.3 es stets möglich war, den Mindestabstand zwischen den Teilnehmer:innen der o.g. Versammlung auf der beauflagten Versammlungsfläche auch mit mehr als 20 Teilnehmer:innen einzuhalten

Antwort des Kommunalreferats:

Konkreten Unterschreitungen des Mindestabstands konnten durch die ad-hoc-Maßnahmen vor Ort verhindert werden.

6.4 keine Anhaltspunkte aus vorhergehenden Versammlungen derselben Versammlungsleiterin bestanden, dass diese den Infektionsschutz fahrlässig oder gar absichtlich außer Acht lassen könnte?

Antwort des Kommunalreferats:

Entsprechende Anhaltspunkte liegen der Stadt Würzburg nicht vor und waren für die Festsetzung der Beschränkung nicht erforderlich.