Haushaltsrede 2023

Fraktionsvorsitzende Dr. Sandra Vorlová
Fraktionsvorsitzende Dr. Sandra Vorlová. Foto: Eva Trapp

Rede der Fraktionsvorsitzenden Dr. Sandra Vorlová

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Stadtkämmerer,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich freue mich, heute die erste Haushaltsrede der Fraktionen halten zu dürfen, die gleichzeitig auch meine erste Haushatsrede ist, was wiederum ungewöhnlich ist, weil wir inzwischen im dritten Jahr dieser Wahlperiode angekommen sind.

Der Brauch der Haushaltsreden wurde, wie wir alle wissen, in den Zeiten der Pandemie eingestellt, um die Sitzungen zu verkürzen. Und jetzt, so sieht es die Regie offenbar, herrscht wieder Normalität und wir können zu altem Brauch zurückkehren. Ob nun wirklich eine „neue Normalität“ eingetreten ist, werden wir sicher in den nächsten Wochen sehen.

Stehen wir also jetzt wieder vor „normalen“ Haushaltsberatungen?

Das Zahlenwerk, das der Stadtkämmerer uns vorgelegt hat, ist jedoch alles andere als normal. Die Pflichtzuführung aus dem Verwaltungshaushalt in den Vermögenshaushalt wird heuer und im Folgejahr nicht erreicht. Investitionen der Stadt werden also nicht mit Überschüssen aus dem laufenden Betrieb finanziert, so dass folgerichtig am Ende des Finanzplanungszeitraums unsere Rücklagen, die derzeit zum Glück noch ungewöhnlich großzügig ausgestattet sind, restlos aufgebraucht sind.

Und jetzt muss ich schon sehr altgediente Stadtratskolleg*innen ansprechen, wenn ich jemanden suche, der so etwas schon einmal erlebt hat. Und bei diesen fällt dann sogleich, unter schaurigem Raunen, der Begriff „haushaltslose Zeit“. Also der Zustand, dass nur noch gesetzliche und vertragliche Verpflichtungen erfüllt werden dürfen, aber keine neuen Projekte begonnen, keine neuen Stellen besetzt werden und keine freiwilligen Leistungen ausgezahlt werden dürfen. So steht es in Artikel 69 der Gemeindeordnung. Stehen wir also vor dem „Summer of 69?“

Noch, im Jahr 2023, stehen wir nicht am Ende unserer Leistungsfähigkeit. Noch können wir uns mit dem Zugriff auf Rücklagen behelfen. Und noch selten war die Prognose so schwierig, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung gestalten wird. Werden Gasmangellage, steigende Energiepreise und Unterbrechungen von Lieferketten zu massiven Einbrüchen der Wirtschaft und damit zu erheblichen Rückgängen der Steuereinnahmen führen? Oder kommen wir noch einmal mit einem blauen Auge davon und insbesondere die späteren Jahre der Finanzplanung sehen wesentlich rosiger aus, als der Kämmerer sie in seiner Prognose zeichnet? Die letzte Steuerschätzung aus dem Oktober 2022 würde durchaus die Annahme deutlich höherer Steuereinnahmen rechtfertigen – und dass auch dann noch, wenn man einräumt, dass die jüngsten Steuerentlastungen, die eben auf Seiten des Staates zu einem geringeren Steueraufkommen führen, noch nicht berücksichtigt sind.

Wir wissen heute schlicht nicht, wie es in den nächsten Jahren aussehen wird. Was wir heute aber wissen ist, welche Aufgaben jetzt vor uns liegen und welche Nöte die Krisen der letzten Jahre ausgelöst haben. Und so fallen unsere Antworten ähnlich wie in den Vorjahren aus. Mit uns meine ich damit zunächst die Grüne Stadtratsfraktion, für die ich hier spreche. Aber aus den Anträgen der anderen Fraktionen lässt sich herauslesen, dass diese zu einer sehr ähnlichen Einschätzung der Haushaltslage gekommen sind:

Dieses Jahr ist (vielleicht noch) nicht das Jahr, in dem wir auf eine Art Nothaushalt umstellen müssen oder sollen. Zu hoch wäre der Preis, wenn wir dies zu früh und vielleicht sogar überflüssigerweise tun würden. Unsere Herangehensweise lässt sich mit den folgenden Überschriften beschreiben:

Bewährte Strukturen erhalten und sichern

Wir wollen die bewährten Strukturen erhalten und sichern, denn sie ließen sich, einmal zerstört, wenn überhaupt nur mit sehr großem Aufwand wiederherstellen. Das war auch schon in der haushaltslosen Zeit der oberste Leitsatz. Aber dieser Leitsatz muss heute ergänzt werden: In der Klimakrise muss sich etwas verändern, damit wir weiterhin gut leben können. Dafür brauchen wir jetzt neue Maßnahmen und Angebote für Klimaschutz und Klimaanpassung. Und im dritten Jahr von Krisen, die die wenigsten von uns so schon erlebt haben, müssen wir als Stadt unseren Beitrag leisten zur sozialen und kulturellen Resilienz von Bürger*innen, Einrichtungen und freien Trägern.

In etlichen unserer Anträge setzen wir uns damit auseinander, dass nach unserer Auffassung die Haushaltsansätze der Kämmerei nicht ausreichend sind, um die eben geschilderten Ziele zu erreichen. Darüber werden wir in den nächsten Tagen sicher im Detail sprechen. Von besonderer Bedeutung sind uns dabei Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Umsetzung des städtischen Klimaschutzkonzepts, zur Förderung von Bürger*innenaktivitäten über die Programme“ „stadtlich.grün“ und „Klimaneutrales Wohnen“ und die ausreichende Ausstattung der erfolgreichen Arbeit zur Integration von Flüchtlingen in Würzburg.

Aber, ich muss kurz innehalten, wenn ich sage, diese Anträge seien von besonderer Bedeutung, denn alle Anträge sind für die jeweils betroffenen Menschen und Einrichtungen von besonderer Bedeutung.

An dieser Stelle möchte ich die Anträge hervorheben, mit denen wir neue Akzente setzen möchten:

  • Werner-von-Siemens-Straße – im Radverkehrsbeirat wurden Planungen positiv aufgenommen, diese Gefahrenstelle für den Radverkehr neu zu gestalten
  • Musikspielstätte – in der letzten Sitzung haben wir darüber geredet, weshalb die Stadt mit eigenen Planungen helfen muss, die Lücke beim absehbaren Wegfall der Posthalle zu schließen.
  • 3. Ort Versbach – mit überragender Zustimmung begrüßte Überlegungen, die Stadtbücherei in Versbach als dringend benötigten Begegnungsraum aufzuwerten.

An einigen Stellen haben wir in den letzten Wochen und Tagen in Gesprächen mit der Kämmerei Wege und Kompromisse gefunden, mit denen unsere Ziele gefördert werden können, ohne neue Summen – oder so hohe Summen – in die Haushaltspläne schreiben zu müssen. Dafür und für die Geduld in diesen Gesprächen sagen wir der Kämmerei unseren herzlichen Dank.

So ist das Volumen der Anträge, über das wir in den nächsten beiden Tagen noch debattieren und auch abstimmen müssen, bereits gesunken. Mögen wir in den nächsten beiden Tagen mit Mut und Augenmaß an die vor uns liegenden Aufgaben und Anträge herangehen und dabei das richtige Maß finde, aus Schonung der Rücklagen für die Folgejahre und den notwendigen Investitionen zur Stärkung von Stadt und Stadtgesellschaft!